Als ich die Einladung zum Guaraci-Jahresausflug bekommen habe, staunte ich nicht schlecht. Die Besichtigung von Agroforstry-Betrieben stand auf dem Programm. Schon war ich gedanklich in tropischen Gebieten: schwitzend schlürfe ich den süsslichen Saft einer frischen Kokosnuss direkt vom Baum. Vom Studium her verbinde ich den Begriff Argoforestry stark mit tropischen Systemen, eine ideale Möglichkeit für Kleinbauern ihre Risiken zu streuen und zugleich von den Vorteilen der landwirtschaftlichen Produktion auf verschiedenen Ebenen zu profitieren.
Doch seit dem letzten Donnerstag weiss ich nun, dass auch in der Schweiz Agroforestry erfolgreich betrieben wird. Während des Geschäftsausflug durften wir zwei verschiedene Betriebe in der Region zwischen Yverdon und Lausanne besichtigen. In Oulans-sous-Echallens hat uns der Betriebsleiter Alain Vulliamy empfangen. Er führt einen IP Suisse-Betrieb, auf welchem Getreide, Kürbisse und Früchte aus dem Hochstammobstgarten produziert werden. Zudem hält der Bauer Freilandhühner und Weide-Gänse. Vor ca. 10 Jahren hat er begonnen seine Felder mit Bäumen zu bepflanzen. Aus rationellen Überlegungen findet die Nutzung - im Gegensatz zu den tropischen Systemen - noch immer räumlich getrennt voneinander statt. Die gepflanzten Bäume stehen in Reihen mit einem Abstand von 30 Metern. Die in 10 Metern Abstand gepflanzten Bäume werden alle regelmässig aufgeastet. So bleibt die Bewirtschaftung des angrenzenden Ackerlandes auch in Zukunft mit grossen Maschinen möglich und es entsteht mit der Zeit ein astfreier Stamm, welcher zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden kann. Gepflanzt werden übrigens ganz verschiedene Baumarten.
Die Bäume beanspruchen im gewählten Regime ca. 10 % der Ackerfläche. Trotzdem gibt es Vorteile für den Bauern. Die Wurzeln der Bäume reichen tiefer, als die der gepflanzten Kulturen und können so langfristig einen zusätzlichen Nährstoffspeicher nutzbar machen. An heissen Tagen werfen die Bäume Schatten, welche die gepflanzten Kulturen vor dem austrocknen schützen. Zudem entsteht durch die Bäume eine zusätzliche Strukturvielfalt, welche für Vögel und Insekten von Vorteil ist. Diesen Beitrag zum Naturschutz wird den Landwirten über Ökobeiträge abgegolten.
Als zweiten Betrieb besichtigten wir den Bio-Betrieb von Nicolas Bovet in Arnex-sur-Orbe. Neben den mit Bäumen bepflanzten Flächen betreibt er auch eine Hühnerzucht und hat in der Nähe einige Reben zur Weinproduktion. Im Anschluss an die Besichtigung durften wir dann auch einige der edlen Tropfen degustieren. Dabei konnten wir auch letzte Fragen klären und über das Baumwachstum im Feld und im Wald fachsimpeln. In einem waren wir uns alle einig: Die kürzlich gepflanzten Bäume bringen heute einen Nutzen, die Bäume ernten, das werden aber frühestens die Nachfolger der heutigen Betriebsleiter.
Den Abschluss der gelungenen Veranstaltung bildete das köstliche Essen im nahegelegenen Restaurant Toucan. Herzlichen Dank für die Organisation, Claire.